Kolumne: Das Märchen vom Märchen Startup

Kolumne: Das Märchen vom Märchen Startup

„Von Einhörnern, Regenbögen und dem Topf voll Gold“ – mit dieser genialen und von mir geklauten Aussage einer Autorin zum Thema PR & Startup-Kommunikation, Judith Blaubach, die ich herrlich ironisch und wahrhaft trefflich finde, möchte ich meine Kolumne beginnen und mich vorstellen.

Mein Name ist Clara Sonnenfeld. Ich bin im Jahr 2010 extra nach Berlin gezogen, um in einem der damals heißesten Tech-Startups Berlins anzuheuern. Rückblickend waren die Anfänge der deutschen Startup-Szene für mich, die sich jahrelang als freie Journalistin für verschiedenste Käseblätter in der Provinz für uninteressante Themen prostituieren musste, ein wahr gewordener Traum. Alle diese Legenden, Geschichten und Märchen, die sich um diese Szene rankten, versprachen Großartiges. 

In meinem damaligen Fokus standen die verschiedenen Typen von Startups und Gründern. 

Allen voran und immer mit Aufmerksamkeit bedacht wurden die kleinen Copy-Cats eines großen Kriegsherrn, der das Internet rocken wollte. Dessen arme Gründer allerdings für einen Hungerlohn am Ende für nicht mehr als für Maschinengewehrfutter taugten, wenn die geklauten Ideen den Bach runter gingen. 

Dann gab es die Anfänger-Gründer. Sie waren sehr nette, zumeist kleine Grüppchen von sehr jungen Schulfreunden, die eine, wie sie fanden „geniale“ Idee hatten, sich allerdings vom erstbesten Konzern kaufen ließen und direkt platt gemacht wurden.

Dann gab es noch die Idealisten-Gründer. Sie wollten von Anfang an alles richtig machen, sich nicht kaufen und manipulieren lassen. Sie verhungerten kurzer Hand an einem leeren Kühlschrank, weil sie schon seit 6 Monaten auf ihr Gehalt verzichtet hatten, um den Laden am Rollen zu halten. Leider vergebens.

Die pseudostrategischen Gründer hatten meist eine hochrangige Wirtschaftsschule besucht, kamen mit ausgezeichneten Business-Plänen nach Berlin. Sie wollten kurz gründen, einen skalierbaren Exit hinlegen und dann am liebsten gleich selbst Investor sein. Man musste nur in der Torstraße in einem Café sitzen und wusste nach drei Minuten Bullshit-Bingo am Nachbartisch, wer da neben einem saß. Einige Gute hatten tatsächlich ein paar Jahre überlebt, andere verbrannten im Höllenfeuer ihres Fire-Sales, der Rest ward nicht wiedergesehen.

Die kleinste, aber wie ich finde die bedeutendste Gruppe, sind die wahrhaften Einhörner. Das sind zumeist Menschen mit einer großartigen Inselbegabung. In der normalen Welt würde man sie für Autisten halten. Aber in diesem Universum sind sie die Superhelden, die Thors, die Iron-Mans, die Doctor Stanges. Sie waren meist wenig finanzkräftig, in irgendwelchen billigen Katakomben versteckt, bis sie eines schönen Tages von einem Investor in goldener Rüstung aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt und ans Tageslicht gebracht wurden. Das waren die wirklichen Köpfe dieser Szene. Sie hatten Ideale, sie wollten die Welt verändern, sie lebten die meiste Zeit ihres Wirkens in Tunneln, arbeiteten hart, aber spielten nicht hart. 

Ihr fragt euch jetzt wahrscheinlich, was mich zu dieser Kolumne gebracht hat? Meine Verwunderung! 

Ich bin verwundert, wie sich eine komplette Szene in ein paar Jahren so verändert hat, dass aus unserer schönen bunten Blumenwiese in Mitte und Kreuzberg, wo Narzissten, ähm nein, Narzissen und Ranunkeln wuchsen, die ab und an wieder abgemäht wurden, um Platz für neue Narzissen und Ranunkeln zu schaffen, jetzt auf einmal Klatschmohn wächst. 

Beim nächsten Mal mehr dazu.

Bleibt gesund,

Eure Clara Sonnenfeld

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